Es gibt Tage an denen Du bereits beim Aufstehen spürst, dass etwas ganz Besonderes vor dir liegt; Tage, an denen Du schon in der Morgentoilette Kaffeesatzleserei betreiben könntest; Tage, an denen dir die Welt gehört und alle anderen zu Statisten degradiert sind; Tage, an denen Magie in der Luft liegt.
Montag, der 11. April, war für Christian „Magic“ Stöber so ein Tag. Die Schar seiner Kritiker wurde in letzter Zeit aufgrund seiner ungewöhnlichen Formschwankungen immer lauter. Sein momentan 2. Platz in der Clubliga hatte Flecken auf seiner clubinternen weißen Weste hinterlassen. Er hat den Nimbus der Unbesiegbarkeit verloren und mehrmals Nerven gezeigt, besonders beim Putting-Spiel, eines seiner Stärken in der letzten Saison.
Bahn 18 auf dem Rutherhof; der Ball liegt ungefähr 1,5 Meter vom Loch entfernt. Es folgt der Putt zum Birdie; hangabwärts. Es scheint, als wäre die Zeit stehengeblieben; nichts rührt und regt sich. Es herrscht absolute Stille; allumfassende Geräuschlosigkeit; nur Bild - kein Sound. Selbst die tierischen Landbewohner und auch der Wind in den Baumkronen halten in diesem Moment inne und geben keinen Laut von sich. Die Anspannung ist zum zerreißen...
...Pudumm-Pudumm-Pudumm. Die Stille wird von meinem Herzschlag durchbrochen, der sich zunächst ganz leise und dann immer lauter werdend in meinen Ohren bemerkbar macht. Am liebsten würde ich schreien, doch ich kann nicht. Ich bin wie gelähmt und kann nur dastehen - fest im Rasen verwurzelt - kann meinen Blick nicht vom Ball abwenden.
Dann setzt er an und streichelt seine Kugel mit dem Schläger Richtung Loch. Der Ball scheint sich wie in Zeitlupe seinem Ziel zu nähern. Wenn ich wollte, könnte ich jede einzelne Umdrehung des Balles mitzählen. Offene Münder; Atemlosigkeit. Ich bin kurz davor die Besinnung zu verlieren...
...noch eine Umdrehung und noch eine und noch eine weitere und dann verschwindet der Ball von der Bildfläche. Treffer! Versenkt! Er hat es geschafft! „Magic“ is back! Mit diesem Putt hat er die großartigste Runde aller Zeiten auf dem Rutherhof gespielt. Platzrekord; ach, nennen wir es beim Namen: Rutherhof-Weltrekord! Ein magischer Moment!
Mit 71 Schlägen und damit ein Schlag unter Par hat er vermutlich ein Ergebnis in die Wiese gemeißelt, das für längere Zeit nicht zu toppen ist. Die unfassbare 33 auf den ersten neun Bahnen (drei Schläge unter Par!) legte den Grundstein für dieses fantastische Endergebnis. Christian „Magic“ Stöber war schon oft auf einem guten Weg dem anspruchsvollen Platz PARoli zu bieten, aber seine vorherige Bestleistung von 73 Schlägen war bisher das Höchste der Gefühle. Dass er gerade jetzt in einer Phase der Formschwankungen so zurückschlägt, zeigt, dass mit ihm jederzeit zu rechnen ist. Seine Kritiker sind fürs erste wohl verstummt, denn alle die ihm die Titelverteidigung in der Clubliga nicht mehr zugetraut haben, müssen ihre Prognosen nun überdenken.
Bemerkenswert ist allerdings, dass Frank „Fralle“ Schweizerhof bereits vier Tage später mit einer ebenfalls überragenden 72 (34 auf den ersten neun Bahnen) konterte und auch eine neue persönliche Bestmarke erzielte. Da es sich bei Christians 71 und Franks 72 nicht um Wertungsspiele handelte, haben diese Ergebnisse keinen direkten Einfluss auf die Clubliga, lassen uns aber auf einen spannenden Titelkampf bis in den Dezember hinein hoffen. Aus sportpsychologischer Sicht bleibt anzumerken, dass sich beide Spieler gegenseitig zu außergewöhnlichen Höchstleistungen antreiben und unserem Club damit zwei Titelkandidaten für die Ende Juli stattfindenden Deutschen Meisterschaften bescheren.
Glück auf!